„Industriellen Mittelstand als Partner der Energie- und Klimawende stärken“
Positionspapier
1. Präambel
Dieses Positionspapier wird getragen von mittelständischen Industrieunternehmen, die im Zuge der aktuellen Klimaschutzgesetzgebung[1] ihre gemeinsamen Positionen und Erwartungen an Politik und Verbände formulieren. Die Unternehmen stammen aus unterschiedlichen Branchen wie Chemie- und Pharmaindustrie, Lebensmittelindustrie, Automotive, Werkstoffindustrie, Papier- und Zellstoffindustrie sowie Energiewirtschaft.
Diese Unternehmen bekennen sich klar und uneingeschränkt zu den Klimaschutzzielen von Paris und sind bereit ihren Beitrag dazu zu leisten. Sie sind gemeinsam fest davon überzeugt, dass konzertierte Anstrengungen in Sachen Klimaschutz einen wesentlichen Beitrag zur Unterschreitung des Zwei Grad Ziels leisten werden – im Sinne einer lebenswerten Zukunft für die Generationen, die nach uns kommen.
Sie fordern jedoch mehr Problembewusstsein der Politik und der Interessenverbände bei den durch aktuelle klimapolitische Entwicklungen entstehenden Herausforderungen. Diese Risiken betreffen einen ungeahnt großen Teil des industriellen Mittelstandes. Mit Blick auf den globalen und vor allem europäischen Wettbewerb wird das überlegte Management dieser Herausforderungen unmittelbar erfolgskritisch sein.
2. Unsere Positionen und Forderungen auf einen Blick
- Wir bekennen uns zu den Klimazielen und nehmen unsere Verantwortung als Unternehmen wahr.
- Wir regen dazu einen Dialog mit der Politik an, wie der industrielle Mittelstand seine Anstrengungen zur Erfüllung der Klimaziele mit seinen zur Verfügung stehenden ökonomischen und technologischen Optionen erhöhen kann, ohne dass er in eine wirtschaftliche Schieflage gerät.
- Carbon Leakage verhindern – industriellen Mittelstand bei Klimawende stärken, nicht schwächen
- Industrieller Mittelstand ist durch EEG-Umlage und Kappung des KWK-Bonus bei der Eigenstromversorgung bereits mehrfach belastet, ohne vielfach von den Entlastungen der energieintensiven Industrie profitieren zu können
- Gut 80 Prozent des industriellen Mittelstandes jener Branchen trifft der CO2-Preis massiv, jedoch nur etwa 1 Prozent fällt unter die geplanten Härtefallregelungen nach BEHG
- Zusätzliche Kosten durch CO2-Bepreisung müssen angemessen sein und ggf. an anderer Stelle (EEG-Umlage, Stromsteuer, Ausgleichsmechanismus) kompensiert bzw. in der Übergangsphase unterstützt werden
- Industrielle KWK als ein „Multifunktionstool der Energiewende“ muss bei KWK-G-Novelle wieder höheren Stellenwert erhalten
3. Der „vergessene“ industrielle Mittelstand
Der industrielle Mittelstand ist stark regional verwurzelt und standorttreu. Er investiert zu über 80 Prozent im Inland. Er bildet das Rückgrat der Industrie in Deutschland. Dieses Engagement darf keine Einbahnstraße sein.
Anders als in der Öffentlichkeit wahrgenommen erfüllen nur etwa 2.500 von insgesamt rund 100.000 Industrieunternehmen in Deutschland die Kriterien für Ausnahmeregelungen zur Befreiung von zusätzlichen Belastungen durch die Energiewende. Rund 95 Prozent der Unternehmen zahlen etwa die volle EEG-Umlage. Diese Unternehmen sind zudem vorwiegend mittelständisch geprägt. So sind 90 Prozent der Chemieunternehmen und sogar 95 Prozent in der Automotive-Industrie mittelständische Unternehmen[2].
Ein großer Teil des industriellen Mittelstandes benötigt ein hohes Maß an Energie, ist dabei aber häufig nicht energieintensiv im Sinne der besonderen Ausgleichsregelung, und profitiert damit weder von reduzierten Netzentgelten und reduzierter EEG-Umlage, noch können sie eine Entlastung von Stromsteuer oder Energiesteuer nach dem Spitzenausgleich geltend machen oder fallen unter die im BEHG neu aufgestellten unrealistischen Härtefallregelungen zur CO2-Bepreisung. Dieser industrielle Mittelstand wurde in der Energieerzeugung dennoch in den letzten Jahren steigenden Belastungen ausgesetzt durch Belastung der Eigenstromversorgung bei KWK-Erzeugung durch die EEG-Umlage und Wegfall einer Förderung industrieller KWK nach der letzten KWK-G Novelle.
Viele der genannten Industrien wie etwa die Papierhersteller verfügen zudem über sehr geringe Gewinnspannen in einem international hart umkämpften Markt. Für sie bedeutet die Einführung einer nationalen CO2-Bepreisung ohne Entlastung an anderer Stelle ein substantielles Risiko für ihre Geschäftsfortführung und einen weiteren Wettbewerbsnachteil.
Die Anzahl solcher Industrieunternehmen, die durch dieses Raster vieler durch die Politik geschaffener Sondertatbestände fallen, ist nicht vernachlässigbar, sondern erheblich. Gleichzeitig sind es exakt diese Unternehmen, die den Mittelstand prägen, die Identifikation in den Regionen schaffen und die es sich oft nicht leisten können (und bislang auch nicht wollten), Produktion ins Ausland zu verlagern (Carbon Leakage).
Wir fordern Politik und Verbände auf, diese Unternehmen stärker zu unterstützen und zu entlasten, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Dies sollte vorzugsweise über eine Reduzierung solcher Steuern und Abgaben geschehen, die staatlich beeinflusst sind wie die EEG-Umlage oder die Stromsteuer, oder über einen geeigneten Ausgleichsmechanismus. Die Einführung der CO2-Bepreisung sollte angemessen sein und Übergangsphasen vorsehen, die berücksichtigen, dass Anlageninvestitionen eine Amortisationszeit von nicht selten 15-20 Jahren mit sich bringen.
Gleichzeitig fordern wir, der industriellen KWK bei der anstehenden KWK-G Novelle wieder einen größeren Stellenwert zukommen zu lassen. Gerade die Industrie hat mit ihrer dezentralen Energieerzeugung heute ganz andere Möglichkeiten hat als noch vor einigen Jahren, sei es in der systematischen Effizienzsteigerung, durch Wärmerückgewinnung oder Waste2Value Ansätze (Thermische Verwertung von Reststoffen und Sondergasen) sowie durch Bereitstellung von Residuallast oder gar Primärregelleistung im öffentlichen Netz.
Kurzum: Industrielle Energieerzeugung kann mit den richtigen regulatorischen Rahmenbedingungen die Energiewende mit Flexibilitäten in einem Maße unterstützen und zugleich Versorgungssicherheit gewährleisten, wie es bislang weitgehend unbekannt ist und somit ungenutzt blieb.
[1] Alle Gesetzentwürfe und Verordnungen zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms und der Ergebnisse der Kohlekommission.
[2] BDI, Schlaglicht Mittelstand, Berlin 2016, S.18f..
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